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Corona-Untersuchungsausschuss Sitzung 16: Corona-Sprechstunde: Hilfe zur Selbsthilfe

Die Sitzung fand am 17. September 2020 statt.

Einleitung

In dieser Sitzung erörtern die Rechtsanwälte des Ausschusses sowie zugeladene Juristen Rechtsfragen rund um Rechtseinschränkungen im Rahmen der Corona-Verordnungen.

Teilnehmer

  • Prof. Dr. Martin Schwab ist Hochschullehrer im rechtlichen Bereich an der Universität Bielefeld. Er trifft in dieser Sitzung Aussagen zur rechtlichen Bewertung verschiedener Vorgänge, die in der Bevölkerung derzeit erlebt werden.
  • Dirk Sattelmaier ist als Rechtsanwalt in Köln tätig. Er war auch unterstützend bei der Berliner Großdemonstration dabei und gibt noch einmal einen Nachtrag zu seiner Sicht der Vorgänge im vergangenen August.

Aussagen

Zunächst treffen die Rechtsanwälte, die den Ausschuss leiten, zusammen mit Dr. Wodarg einige gemischte Aussagen zu den Corona-Verordnungen.

Zur Sinnhaftigkeit der Maskenfplicht

  • Wenn es Maske geeigneter Art ist, kann sie bestimmte Viren und Bakterien abhalten.
  • Die Maske muss jedoch richtig getragen werden, Stichwort „Masken-Compliance“ (Arbeitsschutz).
  • Wird die Maske nicht richtig getragen geht die Wirkung gegen Null.
  • Es gab und gibt keine wissenschaftliche Evidenz dafür, dass die Masken im Alltag etwas bringen. Im Sinne des Gefahrenabwehrrechts könnte man so eine Verordnung noch vertreten im Sinne eines „wir probieren das mal und prüfen gleichzeitig“.
  • Ines Kappstein hat eine Metastudie zu Masken erstellt, die das untermauert.

Herausragende Fälle von "Maskenzwang" in der Bevölkerung

  • Es wird berichtet über den Fall eines Bahnreisenden mit ärztlichem Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht. Ein Schaffner hat sein Attest nicht akzpetiert und die Bundespolizei gerufen. Der Polizist soll beim Arzt des Reisenden angerufen haben, um sich das Attest bestätigen zu lassen. Dann soll ihm das Attest abgenommen worden sein, da der Polizist glaube „es sei gefälscht“.
  • Es wird berichtet über den Fall eines Kindes, welches Einschränkungen dahingehend hat, dass es die eigenen Bedürfnisse nicht erkennt (wie zum Beispiel die Maske einmal zu belüften, oder im Freien abzunehmen), Dem Kind wurde es nicht zugestanden in der Schule ohne Maske zu sein. Die „Masken Compliance“ kann von dem Kind jedoch nicht durchgeführt werden, das wurde aber nicht anerkannt.

Rechtliche Einordnungen

  • Einsprüche gegen Bußgeldbescheide von Behörden werden vermutlich bislang nicht strikt verfolgt. Es lohnt sich immer Einspruch zu erheben.
  • Supermarktbetreiber z. B. haben zwar ein Hausrecht, dieses ist aber nicht unbegrenzt. Zum Beispiel wurde in einem BGH-Urteil festgestellt, dass eine anlasslose Taschendurchsuchung von Kunden nicht erlaubt ist. Es ist kein Generalverdacht erlaubt.
  • Schon wenn ein Patient einen Arzt aufsucht auch ohne tatsächlich ein Vertragsverhältnis mit ihm einzugehen, gilt die ärztliche Schweigepflicht. Alleine schon bei welchem Arzt man war ist eine intime Information. Dass verlangt wird auf Maskenbefreiungsattesten die Diagnose und den Arzt zu vermerken ist daher stigmatisierend.
  • Es ist unklar wie genau die Maske beschaffen zu sein hat, damit man der Verordnung entspricht. Es ist unklar wer sowas kontrollieren darf. Es ist unklar, wie eine Ausnahme von der Maskenpflicht nachzuweisen ist.
  • Die Masken sollen nach landläufiger Erzählung genau diejenigen schützen, die keine Maske tragen können. In der Praxis wird dies jedoch verkehrt: Wer keine Maske trägt, schädigt die Maskenträger.
  • Wenn man den Zusammenhang einmal verschiebt merkt man, mit was man es hier zu tun hat. Man stelle sich vor man ginge genauso mit Rollstuhlfahrern, Blinden usw. um.
  • In Fällen wie den oben aufgezählten handelt sich schnell um Straftatsbestände:
    • Nötigung (etwas zu verlangen, was einem nicht zusteht)
    • Üble Nachrede (zu behaupten das Attest sei gefälscht)
    • Körperverletzung (jemanden zu nötigen eine Maske zu tragen, der es nicht kann)
  • Ein Verwaltungsgericht hat bereits festgestellt, dass die Maskenpflicht ohne die Ausnahmeregelung zur Befreiung nicht verfassungsgemäß wäre.
  • Dass man „Gesundheitszeugnis“ ablegen muss oder sich dazu genötigt sieht hat für einige in der Sitzung schon einen Anklang zur Nazipolitik ab 1933.
  • Die Tatsachengrundlage und die Rechtsgüterabwägung sind eigentlich Nebelkerzen, weil die rechtliche Konstruktion schon formal völlig schief ist und den elementarsten Grundlagen der Jura widerspricht.
  • Wenn gedroht wird, dass Eltern ein Kind weggenommen wird, wenn Quarantänemaßnahmen nicht umgesetzt werden, kann auch etwas nicht stimmen. Es gibt den besonderen Schutz der Familie, Jugendämter können zum Beispiel nur sehr schwer jemandem das Kind wegnehmen. Es bräuchte auf jeden Fall ein konkretes Gesetz dafür, sonst bräuchte man überhaupt keine Spezialgesetzgebung, sondern jeder Polizist könnte nach eigener Einschätzung solche Handlungen begehen.

Prof. Dr. Martin Schwab

  • Die Quarantänebescheide (die er gesehen hat) enthalten wesentliche Informationen nicht, wie:
    • Wo fand der Risikokontakt statt.
    • Wie lange war der Kontakt.
    • Unter welchen Umständen fand der Kontakt statt (im Freien, wurde gelüftet, etc.)
  • Es gab einen Entscheid von 2012 über mehrere Instanzen, wo einem Essens-Lieferanten für eine Schule, in der Masern aufgetreten waren, eine Quarantäne auferlegt wurde. In diesem Bescheid wurde festgestellt, dass so pauschal nicht gearbeitet werden kann.
  • Es muss eine Risikobewertung stattfinden. Quarantäne kann nur jemandem auferlegt werden, wenn:
    • derjenige Ausscheider ist (d.h. er ist erkrankt und verbreitet das Virus)
    • oder jemand muss den Krankheitserreger aufgenommen haben
  • Die Behörde hat eine Aufklärungspflicht für jeden Einzelfall.
  • Die Parameter einer Testung sind ausschlaggebend
    • die PCR-Zyklen beim PCR-Test (siehe vergangene Sitzung(en) zu Testverfahren)
    • Wurde eine CE-Zertifizierte Invitro-Ausstattung zum Testen verwendet, oder eine zur Eigennutzung (dazu gibt es auch Gesetze).
  • Es muss eine Verhältnismäßigkeit zum Grundrechtseingriff gegeben sein. Man kann sagen „Sicherheit geht vor“ und von jemandem verlangen für zwei drei Tage zu Hause bleiben. Das mag noch gehen, aber zwei Wochen ist zu viel des guten, wenn man keine klaren Anhaltspunkte hat.
  • Es stellt sich auch die Frage, ob bei Quarantäneanordnung nicht schnellstens auch ein Richter über die Quarantäne befinden muss.
  • In Aurich wurden Kinder an einer Schule unangekündigt getestet. Höchstwahrscheinlich war der Vorgang rechtswidrig. Vor einer Testung muss eine Aufklärung der Eltern stattfinden und es muss ihnen ein Widerspruch möglich sein.
  • Schwangere müssen Maske bei Geburt im Krankenhaus eine Maske tragen. Ein Krankenhaus ist keine Behörde und darf nichts anordnen. So eine Verpflichtung Könnte jedoch in den AGBs des Krankenhauses stehen. Das wäre jedoch höchstwahrscheinlich ungültig, wenn nicht gar verboten. Dafür spricht der besondere Schutz von Ehe und Familie (Vater darf nicht dabei sein). Masken vermindern die körperliche Leistung und eine Geburt ist bekanntermaßen sehr anstrengend. Eine Abweisung durch das Krankenhaus wegen der Maskenthematik, wenn der Patient in kritischem Zustand ist könnte eine unterlassene Hilfeleistung sein.
  • Ein „Zwangstest“ vor Aufnahme im Krankenhaus: Dieser könnte vorvertraglich vom Krankenhaus verlangt werden. Das Krankenhaus hat einen öffentlichen Versorgungsauftrag, ist also nicht ganz so frei darin Behandlungen abzulehnen. Das Krankenhaus hat ein Interesse daran keine Infektionen in seinen Betrieb einzuschleppen. Der Patient hat ein Interesse daran, dass er nicht unnötig getestet wird, sich einem Falschergebnis aussetzt usw. Vermutlich ist es rechtsmäßig, jedoch unter Einschränkungen. Das Krankenhaus muss bestätigen, dass die Probe nach dem Test vernichtet wird, dass das Humangen nicht sequenziert oder anderweitig verwendet wird. Es müsste abgesprochen werden, was beim Positivergebnis passiert, denn ein Positivergebnis weist nicht auf eine aktive Infektion hin.

Dr. Wodarg

  • Millionen Menschen in Deutschland müssen jährlich mal ins Krankenhaus oder ähnliches. Sollen die alle getestet werden? Vor dem Auftauchen beim Arzt: Wie lange vorher soll getestet werden? Warum nur gegen Corona und nicht auch gegen viele der anderen gefährlichen (Pneumo-)Viren?
  • Die Maskenpflicht wurde quasi umgedreht. Wenn im Krankenhaus jemand in Quarantäne ist dann werden die Gesunden geschützt, nicht die Kranken. Die Gesunden haben dann auch erheblich stärker filternde Masken, bei denen sie aber auch frei ausatmen können. Das sind Arbeitsschutzmaßnahmen. Die auch nur in besonderen Fällen angeordnet werden.

Dirk Sattelmaier

Herr Sattelmaier macht einen Nachtrag zu den Ereignissen auf der Berliner Großdemonstration.

  • Das Gericht hat eigentlich eine polizeiliche Mitwirkungspflicht festgestellt beim Einhalten der Maßnahmen. Obwohl ja offenbar eine große Angst bestand, dass die Abstände nicht eingehalten werden, wurde das von der Polizei nur festgestellt, jedoch nicht eingegriffen, sondern nur schon sehr früh mit Auflösung gedroht.
  • Herr Sattelmaier ist schließlich persönlich in die ersten Reihen vor der Bühne und hat für „Ordnung“ gesorgt, danach war dann Ruhe bei der Polizei.
  • Die Anordnungen sind völlig unkonkret. Wann ist das Maskentragegebot erfüllt? Wann ist eine Abstandspflicht erfüllt? Woher kommen 1,5 Meter? Wie bestimmt ein Polizist, ob Abstand eingehalten wird oder nicht? Es handelt sich um Willkür.
  • Es werden derzeit Menschen zu „Straftätern“, die nie zuvor mit sowas in Kontakt gekommen sind. Herr Sattelnmaier hat noch aus der Hochzeit des (ersten) Lockdowns vom April Verfahren am Laufen.
  • Wer sich auf der Demonstration hinsetzte durfte die Maske abnehmen, wer stand nicht. Dennoch kamen Polizisten und kontrollierten Atteste von sitzenden Menschen. Eigentlich handelte es sich Rechtsbruch aber in dem jeweiligen Moment kann man wenig dagegen tun.

Thema Arztgeheimnis

  • in NRW soll nun das Arztgeheimnis ausgehebelt werden, indem für Atteste verlangt wird, dass die Diagnose darauf steht.
  • in Würzburg hat ein Verwaltungsgericht festgelegt, dass die Diagnose auf Attesten zur Glaubhaftmachung notwendig ist. Das hat Prof. Schwab in dem Zusammenhang noch nicht gehört. Es hat jedoch einen Grund, warum es ein Arztgeheimnis gibt, und weshalb selbst Behörden Schwierigkeiten haben daran vorbeizukommen. In so einem Fall müsste dann verordnet werden, dass ein Attest nur vom Amtsarzt gültig ist. Aber dann zu sagen es kann vom aprobierten Arzt kommen, jedoch, wir stellen alle unter Generalverdacht, dass sie Gefälligkeitsgutachten ausstellen, deshalb muss das Attest glaubhaft gemacht werden, das geht eigentlich nicht.

Missbrauch von "Corona" am Familiengericht

  • eine Mutter wollte dem von ihr getrennt lebenden Vater das Umgangsrecht mit dem Kind verwehren, weil der Vater „coronakritisch“ auftrat und auf einer Demo war. Ein Amtsgericht hat tatsächlich vorläufig für ein Wochenende denUmgang untersagt. In der mündlichen Verhandlung wurde das jedoch wieder korrigiert. Die Mutter hatte wohl ein „Hühnchen mit dem Vater zu rupfen“ und nutzte das Infektionsschutzgesetz hier als Deckmantel. Herr Sattelmaier meint, dass er in 18 Jahren rechtsanwältlicher Tätigkeit noch nicht solche absurden Fälle gehabt wie jetzt, doch niemand wolle das hören oder darüber schreiben.
dt/corona_ausschuss/sitzung16.txt · Zuletzt geändert: 27.05.2021 16:15 von Matthias Gerstner