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Ein Jahr Leben mit "Corona". Ein Kommentar.

Teil 4

Es sind hier Mechanismen am Werk, die wir als Spezies Mensch mittlerweile erkennen und verhindern können sollten. Es sind Mechanismen, die ganze Zeitalter des Schreckens nach sich ziehen können. Mir scheint die Menschheit wird einmal mehr in ihr eigenes häßliches Angesicht blicken und sich fragen müssen: Wie konnte es so weit kommen? Hier und heute scheinen sich nur wenige offen zu fragen, was hier geschieht. Die offensichtliche Unfähigkeit vieler, die Vorgänge und das eigene Handeln wenigstens zu hinterfragen oder gar unvoreingenommen zu besprechen, spricht für sich. Ich habe es zum Teil mit hochqualifizierten Menschen zu tun, die auch nach einem Jahr gesellschaftlich-politischem Ausnahmezustand nicht die Anstrengungen unternommen zu haben scheinen, sich aktiv zu informieren. Ich empfinde, dass viele Vertreter dieser Gruppe, die vielfach seit einem Jahr auch noch von Schutz, Sicherheit und Solidarität reden, tatsächlich nicht die geringste Empathie und Fantasie dafür haben, welcher schon längst nicht mehr wiedergutzumachender Schaden, gerade für die schwächsten Elemente unserer Gesellschaft, entstanden ist.

Die Verkehrung der Begriffe, wie sie Professor Mausfeld beschreibt (»Falschwörter«), nimmt immer bizarrere Züge an, wenn etwa Selbstverletzung durch „zu Hause bleiben“ als gesundheitsförderlich betrachtet wird oder die soziale Isolation von Schutzbedürftigen als Solidarität. Es gibt in unserer Gesellschaft viele Menschen die weiterhin funktionieren, die ihre Fähigkeiten in ihrem alltäglichen Beruf hervorragend einsetzen, so wie man etwa im Dritten Reich technologisch auf dem besten Stand war, als es Menschen gab, die einfach nur Raketen bauen wollten 1) oder als der Staatsapparat Rassenhygiene 2) betrieben hat. Diese Menschen jedenfalls, die zwar den Verstand haben, jedoch nicht Immanuel Kants Rat folgen sich ohne Anleitung eines anderen ihres eigenen Verstandes zu bedienen, die machen sich aus meiner Sicht mitschuldig an dem, was in diesem Coronajahr geschah und weiterhin geschieht. All diejenigen, die noch schweigen, trotz eines unguten Bauchgefühls, die einfach unkritisch mitlaufen oder gar aktiv mitwirken.

Dazu gehört das riesige Spektrum orwellscher Falschwörter, mit denen Politik und Medien versuchen über die Sprache unser Denken in den Griff zu kriegen. Dabei nutzen sie eine Eigenschaft aus, dass wir von Natur aus […] zu einem gewissen Wortaberglauben neigen. Wir meinen, wenn ein Wort da ist, dann gibt es auch einen Sachverhalt, der ihm korrespondiert. Das führt dazu, dass wir bereit sind, wenn wir irgendwelche Wörter treffen, beim Zeitungslesen oder sonstwas, wir nehmen eigentlich naiv die Wörter auf, die wir treffen und nutzen sie, um unsere Gedanken mit diesen Wörtern zu organisieren. In dem Moment, wo Sie aber ein Wort benutzen, kaufen Sie ein […] riesiges Gepäck, was in dem Wort […] bereits drinsteckt, nämlich den ganzen ideologischen Ballast, den ein Wort mit sich trägt, und Sie kriegen es nicht mit.

Professor Rainer Mausfeld Vortrag: "Die Angst der Machteliten vor dem Volk. Video auf kenfm.de an Position 39 Minuten 5 Sekunden.

Einem Teil der Gesellschaft gegenüber empfinde ich das Gefühl, verraten worden zu sein, weil dieser sich diesen Schritt des selbstständigen Denkens nicht erlaubt oder die Kette der Konsequenzen fürchtet, die die Wahrheit mit sich bringt (da ist sie wieder, die Angst). Im Ansatz kann ich mir heute vorstellen, wie alleingelassen sich die Opfer des Staatsterrors gefühlt haben müssen, die Opfer solchen Staatsterrors, den gerade wir in Deutschland nach einem Jahrhundert des Leids ausführlich genug kennen sollten! Diese Grundrechte, die 1949 in der westdeutschen Bundesrepublik verabschiedet wurden, und unter deren Standard wir nie wieder kommen wollten, egal unter welchen Umständen. Doch auch in unserer Zeit ist der Endsieg und der Friede nah, es muss nur ein wahlloses Virus ausgerottet werden. Und um das zu bewerkstelligen wird natürlich das Kollektiv wiederentdeckt! Der Feind steckt in uns allen selbst, aber wenn wir uns alle zusammentun und „unreine“ Elemente aussondern dann wird alles gut. Eine Kriegsideologie hat dem Angstjahr von Anfang an innegewohnt 3) mit Ausnahmezuständen, Ausgangssperren, Strafen, Zwang und gefühlt täglich wechselnden Verordnungen. Eine Art dritter Weltkrieg scheint es ja auch tatsächlich zu sein, auch wenn noch nicht klar erkenntlich ist, wer gegen wen und auf welchen Schlachtfeldern Krieg führt.

Die herrschende Politik hat offensichtlich eine gewisse Freude am Verordnen ohne große Umstände entwickelt. Hierzu zitiere ich gerne Herrn Dr. Markus Krall 4), dessen wirtschaftliche Ansichten ich ansonsten nicht besonders teile, der in diesem Punkt aber für meine Begriffe den richtigen Ton getroffen hat:

Und wir müssen uns eines klar machen: Die Veränderung, die fängt in unserem Kopf an. Die Freiheit - unsere Freiheit - ist kein Geschenk der Politik. Die gehört uns. Niemandem sonst. Und es gibt auch niemanden, der das Recht hat, die uns wegzunehmen. Und wer das versucht, der muss auf die Griffel kriegen in aller Klarheit und Deutlichkeit. Das ist kein Geschenk der Politik und kein Gnadenerweis unserer Obrigkeit uns Freiheiten zuzubilligen und wieder wegzunehmen, sondern die Politik, das sind unsere Angestellten, wir sind diejenigen, die die Weisungen zu geben haben als Volk und als Bürger, und die Politik hat dann zu spuren. Und der Versuch uns unsere Freiheiten wegzunehmen ist nichts anderes, als der Versuch eines Hausangestellten das Tafelsilber zu stehlen. So jemanden entlässt man.

Dr. Markus Krall Interview im Rahmen des KOPP Online-Kongresses am 25. November 2020. Video auf youtube.de ab Position 27 Sekunden.

Viele Menschen äußerten in diesem Jahr mir gegenüber ihr Gefühl, dass alles so „unwirklich“ sei. Mir persönlich kommt diese Zeit vor wie eine Endzeit. In diesem Jahr war es ganz besonders intensiv, doch schon in den Jahren zuvor deuteten viele Zeichen auf das Ende einer Ära in unserer Welt hin. Selbst die Wörter hatten wir schon dafür wie »postfaktisch«, »postdemokratisch« oder »spätkapitalistisch«.

Werfen wir nur einmal einen Blick auf die Politiker, oder sagen wir besser, die Politikdarsteller in diesem Land. Wir haben es hier mit Charakteren zu tun, die so aalglatt, so aussagelos und mittlerweile so verknöchert und der alltäglichen Lebenswirklichkeit der Bevölkerung entrückt sind, dass ich mich an Figuren wie Walter Ulbricht oder Erich Honecker in der DDR erinnert fühle. Diese waren auch Repräsentanten eines Staatsgebildes, welches wohl nie wirklich Freude gemacht hat und welches von der Lebenswirklichkeit seiner Bürger entrückt war.

Eine, wie es heißt, von uns selbst verursachte, so gut wie nicht mehr abzuwendende globale Erwärmung würde unsere Lebensgrundlagen gefährden und das Angesicht der Erde verändern. Und doch waren unsere gesellschaftlichen Strukturen scheinbar außer Stande auch nur einen ernsthaften Schritt in eine Richtung zur Besserung dieses Zustands zu gehen. Es wurde berichtet, Filme gedreht und endlose Konferenzen abgehalten, die selbst Teil des Problems sind. Ein Weltrettungsmädchen wurde als heldenhafte Protagonistin ins Rennen geschickt. Es half alles nichts. Dieses hilflose Strampeln weckt in mir Erinnerungen an das Buch »Der Mann ohne Eigenschaften«, von Robert Musil, in welchem in den letzten Atemzügen des Staatsgebildes Österreich-Ungarn in größter Würde die Großartigkeit der K.u.K.-Monarchie von einem hochwohlgeborenen Gesellschaftskreis heraus gerettet werden soll, doch irgendwie sind alle diese Bemühungen sinnlos. Je schöner und größer die Bemühungen sind, desto ernüchternder zeigt sich die Realität.

Dazu passt, dass es mir zu Beginn dieser „Krise“ in Deutschland im März 2020 so vorgekommen ist, als würde die Gesellschaft eine kollektive geheime Freude an der Selbstzüchtigung entwickeln. Erinnern Sie sich noch an die journalistischen Beiträge, die sich gegenseitig überboten, und deren Autoren sofort wussten, dass Großveranstaltungen schon für das ganze Jahr, ja vielleicht auf Jahre ausgesetzt werden müssten? 5) Immer absurder schraubte sich die Spirale der Selbstbestrafungen in die Höhe. Alles musste wegkommen. Restaurants, Cafés, Geschäfte, der Sport, Schiffe, ja selbst der Betrieb der Deutschen Bahn stand auf der Abschussliste. Ist hier eine Gesellschaft so verzweifelt über sich selbst, dass sie eine Pandemie zum Anlass nimmt, sich endlich die „gerechte Strafe“ für ihren Lebensstil zuzuführen?

Für mich hat sich in diesem Coronajahr ein ganz wesentliches Versagen unserer Selbst- und Gesellschafts- und Weltvorstellung offenbart. Ich denke wir müssen den Fehler finden und von Vorne beginnen. Ich habe sogar den Eindruck, dass dieser Fehler schon seit Jahrhunderten, wenn nicht gar Jahrtausenden in unseren Gesellschaften steckt. Wir müssen uns wieder mehr mit der Natur, so auch mit unserer eigenen Natur, beschäftigen. Die Menschen dürfen nicht mehr verdrängen, dass der Tod ein natürlicher und unausweichlicher Teil des Lebens ist. Und etwas vor dem man keine Angst haben muss.

Ein jeder von uns, egal wie er in die Umstände dieses Angstjahres verstrickt ist, auch wenn er sich vielleicht falsch verhalten hat, ein jeder kann den Rückwärtsgang einlegen. Oder einfach erst einmal stehenbleiben. Beruhigen Sie sich. Tun Sie ganz konkrete kleine und gute Dinge. Das Problem ist, dass sich praktisch jeder mit der Angst und ihren Begriffen beschäftigt, egal wie er nun dazu steht. Wir müssten es gemeinschaftlich schaffen uns überhaupt nicht mehr damit zu beschäftigen. Das Monster Corona nicht mehr zu füttern. Dann wären wir alle geheilt.

Natürlich werden wir alle unablässig damit konfrontiert, da wir unser ganz alltägliches Zusammenleben so verbogen haben. Ich freue mich über jeden Menschen draußen auf der Strasse, der mir ohne den sichtbaren Ausweis der Angst, der Maske, entgegenkommt. Mit Freude beobachte ich, dass in diesem neuerlichen winterlichen Herunterfahren der Gesellschaft wenigstens einige Familien und Kinder ihre eigenen Wege gehen, Sperrbänder und Schilder an Spielplätzen ignorieren und wieder Gemeinschaft leben. So wie in der DDR der Staat zwar unmenschlich, das Zusammenleben miteinander jedoch recht harmonisch gewesen sein soll, kommt es mir heute manchmal vor. Etwa wenn ich Sonntags beim Spazierengehen größere Gruppen von Menschen sehe, deren Kinder Schlittenfahren und für einen Moment nichts von der Angstpandemie zu bemerken ist. Leider sind diese Erlebnisse noch viel zu selten.

Dem gegenüber stehen die alltäglichen Erwähnungen der »Pandemie«, die ja herrsche. Ein etwas unscharfes Konstrukt, welches aber hinter allem steckt und dem meinen Mitmenschen alle möglichen Geschehnisse zurechnen. Die für jeden unmittelbar sichtbaren Folgen dieser Pandemie, die staatlichen Willkürmaßnahmen, werden von meinen meisten Mitmenschen hingenommen, als handelte es sich um ein Wetterereignis, welches vollständig außerhalb menschlicher Kontrolle liegt. Der einzige Ausweg, der Heiland, das ist die Impfung. Es ist nicht mitzuzählen, wie oft mir diese selbstverständlichen Einordnungen in diesem Coronajahr einen Stich versetzt haben. Denn sie waren mir überhaupt nicht selbstverständlich, sondern erweckten in mir den Anstoß zum arbeiten gegen diese Erzählung. Doch es nützt nichts. Es nützt nichts diejenigen, die in Angst sind, ins lächerliche zu ziehen. Auch Aufklärung bringt nicht sehr viel. Nur noch ein Angebot zum Gespräch möchte ich mittlerweile ausdrücken. Ein aktives Bearbeiten anderer scheint jedoch weitgehend fruchtlos. Zu viel hängt an dieser Pandemieerzählung auch für jeden Einzelnen von uns. Wer bereit ist für ein anderes Denken und Fühlen, der wird Aufklärung aus eigenem Antrieb finden.

Als kleine Selbsthilfe schlage ich vor, zu versuchen, die Begriffe neu zu belegen. Eine Krankheit und ein Fehler grassieren ja auf jeden Fall in unserer Gesellschaft. Und wenn wir in „Corona“ und „COVID-19“ nicht mehr das Virus sehen, welches angeblich an allem Schuld ist, sondern eine gesellschaftliche Fehlfunktion, die jeden Einzelnen auf seine Weise getroffen hat, dann können wir diesen Begriffen wieder einen Sinn geben und auch Mitgefühl für unsere Mitmenschen empfinden und nicht mehr Abneigung.

Obwohl es vermutlich wenig Sinn hat, lassen Sie uns dennoch zum Abschluss einen kurzen Blick auf die berühmten »Zahlen« werfen, ohne die dieses Angstjahr einfach nicht auskommt. Ich glaube nicht, dass es hier und heute noch irgendeine Sachinformation gibt, die aufhalten kann, oder wenigstens nachträglich den Blick auf das korrigiert, was hier geschieht. Ich vermute diese Erzählung einer Pandemie muss einfach in sich zusammenbrechen. Es wird geschehen, niemand kann aber genau sagen wann. Es könnte relativ unerwartet und zügig passieren. Oder einfach durch massenhafte Erschöpfung. Eine andere Möglichkeit wäre, wenn jemand weitgehende Kontrolle über den Apparat der Massenmedien im Lande hätte. Derjenige könnte einfach innerhalb weniger Tage die Erzählung umarbeiten und allmählich könnte die Pandemie aufgelöst werden. Von dieser Möglichkeit bin ich überzeugt. Das wäre dann jedoch kein Erfolg der Menschen im Lande. Sie würden weiterhin nur wie Schafe auf das reagieren, was ihnen aus den Geräten entgegenkommt. Wieder Menschen, die nur die äußere Demokratie leben, jedoch nicht die innere, wie Hans-Joachim Maaz sagt 6).

Warum also überhaupt noch von „Zahlen“ reden? Die Zahlen sind wesentlicher Teil der wissenschaftlich-technischen Erkrankung, der unser Land seit einem Jahr zum Opfer fällt. Ich führe sie einfach deshalb auf, um auch aus einigem zeitlichen Abstand noch einmal darstellen zu können, welches Missverhältnis zwischen Fakten, Wahrnehmung und Handlungen besteht. Nur welche Zahlen? Die absoluten Todeszahlen in Ländern, die sehr unterschiedlich mit der Pandemie umgehen. Wie ich schon zuvor ausführte, halte ich eine Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Ländern selbst in Europa für nicht wirklich gegeben. Auch ein Vergleich vorhergegangener Jahre mit diesem speziellen Coronajahr scheint mir nur begrenzt sinnvoll. Doch wenn man schon mit Zahlen um sich werfen muss, so halte ich diese absoluten Todeszahlen immer noch für die sinnvollsten, die zur Verfügung stehen.

Verschiedene Starvirologen auf der Welt haben mit Zahlen von Millionen Toten gedroht, würde die Politik nicht energisch handeln 7). In irgendeinem Land müsste ja der tödliche Fehler begangen worden sein - zu späte, unzureichende oder gar keine Maßnahmen etwa - was zum vorhergesagten Fiasko geführt haben müsste. Alle Länder kann ich mit meinen bescheidenen Mitteln nicht abdecken, daher muss es bei einer kleinen Auswahl bleiben. Betrachten wir die absoluten Todeszahlen der vergangenen Jahre von Deutschland, weil wir hier leben. Weiterhin von Schweden, weil es ein Nachbarland ist und dort erheblich mildere Maßnahmen größtenteils auf Basis von Freiwilligkeit umgesetzt wurden, weshalb es vom Ausland auch unablässig medial gegeißelt wurde und wird 8). Es folgen die dazugehörigen Tabellen. Ich schicke voraus, dass ich kein Statistiker bin und ich hier nur einfachste Berechnungen auf Basis von recherchiertem Datenmaterial anstelle. Für eine Idee der Größenordnung mit der wir es zu tun haben, sollte diese Wald- und Wiesenmathematik aber ausreichen.

Todeszahlen Deutschland vergangenen Jahrzehnte
JahrBevölkerungszahlVerstorbeneTote pro 1.000 Einwohner
199079.753.000921.44511,55
1991- 911.245-
1992- 885.443-
1993- 897.270-
1994- 884.661-
199581.817.000884.58810,81
1996- 882.843-
1997- 860.389-
1998- 852.382-
1999- 846.330-
200082.260.000838.79710,20
200182.440.000828.54110,05
200282.537.000841.68610,20
200382.532.000853.94610,35
200482.501.000818.271 9,92
200582.438.000830.22710,07
200682.315.000821.627 9,98
200782.218.000827.15510,06
200882.002.000844.43910,30
200981.802.000854.54410,45
201081.752.000858.76810,50
201180.328.000852.32810,61
201280.524.000869.58210,80
201380.767.000893.82511,07
201481.198.000868.35610,69
201582.176.000925.20011,26
201682.522.000910.90211,04
201782.792.000932.27211,26
201883.019.000954.87411,50
201983.167.000939.52011,30
202083.200.000982.48911,81
Quelle für Todeszahlen: deutschlandinzahlen.de 9)
Quelle für Bevölkerungsgröße: Bundeszentrale für politische Bildung 10)
Quelle für Bevölkerungsgröße 2020: keine. Rundung der Bevölkerungsgröße von 2019.
Todeszahlen Schweden vergangenen Jahrzehnte
JahrBevölkerungszahlVerstorbeneTote pro 1.000 Einwohner
1995 8.837.49693.95510.63
1996 8.844.49994.13310.64
1997 8.847.62593.32610.55
1998 8.854.32293.27110.53
1999 8.861.42694.72610.69
2000 8.882.79293.46110.52
2001 8.909.12893.75210.52
2002 8.940.78895.00910.63
2003 8.975.67092.96110.36
2004 9.011.39290.53210.05
2005 9.047.75291.71010.14
2006 9.113.25791.17710.00
2007 9.182.92791.729 9.99
2008 9.256.34791.449 9.88
2009 9.340.68290.080 9.64
2010 9.415.57090.487 9.61
2011 9.482.85589.938 9.48
2012 9.555.89391.938 9.62
2013 9.644.86490.402 9.37
2014 9.747.35588.976 9.13
2015 9.851.01790.907 9.23
2016 9.995.15390.982 9.10
201710.120.24291.972 9.09
201810.230.18592.185 9.01
201910.327.58988.766 8.60
202010.379.29598.124 9.45
Quelle: Statistisches Zentralamt von Schweden (scb.se) 11)

Lassen wir die Komplexität der Realität und damit alle Nebenbedingungen außer Acht und nehmen vereinfacht Corona als Ursache allen Übels an. Unter dieser Voraussetzung würde ich sagen, dass wir es tatsächlich mit einem verstärkten Erkrankungsjahr zu tun hatten. In Deutschland hatte das Jahr 2020 gemäß dieser Zahlen die höchste absolute und relative Anzahl von Toten des Betrachtungszeitraums. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl waren die Jahre 1990 und 2018 jedoch nicht allzu weit entfernt. In Schweden lässt sich ebenso die höchste absolute Zahl von Toten der vergangenen Jahre feststellen, jedoch im Verhältnis zur Bevölkerung eine Rate, die in den Jahren 1995 bis 2012 sogar übertroffen wurde. Und das, obwohl in Schweden der „Sonderweg gescheitert“ ist und das Setzen auf Freiwilligkeit angeblich zu so vielen mehr Toten geführt hat, als in den skandinavischen Nachbarländern. Da wir schon dabei sind Äpfel und Birnen zu vergleichen, könnten wir uns auch noch fragen, warum eigentlich in Schweden generell die Todeszahl im Verhältnis zur Bevölkerung im letzten Jahrzehnt ein gutes Stück niedriger lag, als in Deutschland.

Ein weiteres interessantes Land als Sonderfall in Europa ist Weißrussland. Der dortige Präsident, der von unseren Medien sogenannte „letzte Diktator Europas“, Alexander Lukaschenko, verhängte nicht solch strikte staatlichen Maßnahmen gegen die von der Weltgesundheitsorganisation erklärte Pandemie, wie im Rest Europas der Fall. Im Sommer 2020 gab es in dem Land zudem politische Unruhen, über die zeitweilig in westlichen Medien berichtet wurde. Davon ab hört man wenig verwertbare Details über die Gesundheitssituation in Weißrussland. Laut der weißrussischen Botschaft 12) gibt es mittlerweile durchaus zahlreiche Beschränkungen insbesondere bei der Einreise in das Land und bezüglich Großveranstaltungen mit internationaler Beteiligung. Allerdings scheint es im Land keine Maskenpflicht zu geben und es finden beispielsweise Sportveranstaltungen mit Zuschauern statt, worüber hiesige Medien schon einmal in Schnappatmung verfallen 13). Eine endgültige Todesstatistik für das Jahr 2020 konnte ich für Weißrussland bislang nicht auffinden. In den ersten „Lockdown-Monaten“ zeigte man sich im Ausland verwundert über die „statistische Anomalie“ in Weißrussland 14), wo es keine zusätzlichen Todesfälle zu verzeichnen gab 15). Da bekommt man sogar Vermutungen zu hören, dass Weißrussland im Verhältnis zur Bevölkerung mehr Beatmungsgeräte habe als andere Länder, oder die zentralistischen Strukturen aus der Zeit des Sozialismus in Weißrussland besser geeignet seien, um mit einer Pandemie fertig zu werden, als das Gesundheitssystem hierzulande. Ein später Sieg des Sozialismus? Die UN-Todesstatistik für das erste Halbjahr 2021 für Weißrussland 16) zeigt zumindest in den letzten beiden Monaten erhöhte Todesfälle. Aber die haben wir ja in unserem Land mit einer Serie von „harten Lockdowns“ auch. Insofern stellt sich weiterhin die Frage nach dem Sinn solcher Maßnahmen.

Wagen wir einen letzten Blick nach weiter weg. Indien ist ein Schwellenland mit rund einer Milliarde Einwohner, welche vielfach unter erheblich heikleren Bedingungen leben als unsereins. Hier hat man es mit Wanderarbeitern zu tun, Menschen die in Slums leben und vielleicht gar nicht einmal ein Haus haben, in welchem sie sich isolieren können. Die Hygienebedingungen sind vielleicht stellenweise so schlecht, dass Mundschutz und sozialer Abstand ganz offensichtlich nur noch als schlechter Witz gelten können. Doch der Tod von Millionen Menschen zusätzlich ist wohl ausgefallen 17), 18). Über ein so andersartiges Land wie Indien vermag ich nicht weiter zu urteilen, doch zeigen diese Unterschiede sehr deutlich, dass die vereinfachte und vereinheitlichte Behandlung des Themas „Corona“ über den Erdball hinweg überhaupt keinen Sinn ergibt.

Weiter will ich Sie und mich gar nicht mit „Zahlen“ belasten. Es lässt sich nach einem Jahr feststellen, dass man größtenteils um statistische Nachkommastellen streitet. Das kann den Tod zusätzlicher Personen nicht verharmlosen. Aber wir müssen mit diesen Schwankungen umgehen, wie wir es immer getan haben. So wie auch mit den 25.000 angenommenen zusätzlichen Toten im Jahre 2018 in Deutschland durch das Influenzavirus, welche nur mediale Aufmerksamkeit unter „ferner liefen“ erhalten hatten. Wir sollten auch unsere Begriffe schärfen. Was ist eine Pandemie? Ein weltweit massenhaftes Auftreten einer Krankheit. Den Schweregrad lässt die Weltgesundheitsorganisation dabei seit einigen Jahren außen vor. Die Hysterie, das Chaos und der Eingriffe in fundamentale Menschen- und Bürgerrechte, die ich in diesem Jahr erlebt habe, werden meiner Auffassung nach bestenfalls dem deutschen Begriff „Seuche“ gerecht. Und bei einer richtigen Seuche, da muss man seine Toten selber auf die Strasse tragen 19) anstatt sich über Statistiken und Studien zu streiten oder angstvoll auf Bildschirme blicken.

Wir müssen als Gesellschaft anerkennen, dass es Risiken im Leben gibt, die wir nicht mit vernünftigem Aufwand auslöschen können. Und wenn wir das eine Risiko reduzieren, dann stehen die Chancen gut, dass wir ein anderes erhöhen. Wir würden wahrscheinlich viel mehr erreichen können, wenn wir uns der Probleme annehmen würden, die wir uns als Menschen selbst einbrocken. Zu Beginn dieses Kommentars habe ich einige davon aufgelistet. Aber sich sinnbildlich unter dem Bett zu verstecken, weil im „echten Leben“ Gefahren drohen, führt mit Sicherheit zu keinem guten Leben, das kann ich Ihnen garantieren. Lassen Sie uns die Angst ablegen und die Bildschirme abschalten. Mein Coronajahr ist zu Ende.


dt/corona_kommentar4.txt · Zuletzt geändert: 12.03.2021 16:13 von Matthias Gerstner