Es ist ein Irrtum, wenn wir den Menschen als natürlichen bezeichnen, den gibt es ja gar nicht mehr, es ist der künstliche, der Kunstmensch der uns heute begegnet, mit dem wir es zu tun haben; deshalb erschrecken wir ja schon, wenn wir noch einmal einem natürlichen Menschen begegnen, weil wir das gar nicht mehr erwartet haben, weil wir ja so lange Zeit nur noch mit dem Kunstmenschen, mit dem künstlichen Menschen konfrontiert sind, der schon so lange Zeit die Welt beherrscht, die ja auch längst keine natürliche, sondern durch und durch nur noch eine künstliche ist, Gambetti, eine Kunstwelt.
Thomas Bernhard: Auslöschung
Schon in meinem letzten Beitrag zum Thema Architektur habe ich auf einen Funkturm auf einem Nebau hingewiesen. Wer sich mit dem Stadtbild unserer Gegenwart auseinandersetzt wird nicht umhin kommen immer mehr solcher Installationen wahrzunehmen:

Rückansicht des Funkturms auf dem Gebäude "Haus Thon" in der Erlanger Straße 7. Aufnahme vom 16. Juni 2024.
Diesen Funkturm kann man noch aus einem guten Kilometer Entfernung als störendes Element wahrnehmen. Hier ein Beispiel aus ca. 500 Meter Entfernung.

Blick auf den Funkturm auf dem Gebäude "Haus Thon" aus der Ferne auf der Höhe Zeisigweg 20. Aufnahme vom 16. Juni 2024.
Ungefähr in den Jahren zwischen 1995 und 2005 wurde in der medialen Öffentlichkeit intensiv über eine mögliche Gesundheitsgefahr durch die zunehmend sich verbreitenden Mobiltelefone diskutiert. Es gab zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. Hier ging es natürlich noch um die ursprüngliche GSM-Funktechnologie, die lediglich einfache Sprachtelefonate und den SMS-Kurznachrichtendienst ermöglichte. Mit dem Aufkommen der nächsten Mobilfunkgeneration UMTS (3G) verstummte die Berichterstattung darüber zunehmend. Offenbar war man sich “einig”, dass da nichts zu befürchten sei, außerdem gab es eine Menge Geld. Und diese Handys waren ja so praktisch.

Blick auf einen Funkturm auf einem Gebäude in der Äußeren Bucher Straße, nahe der Straßenbahnhaltestelle "Thon". Aufnahme vom 16. Juni 2024.
Große Infrastrukturprojekte sind traditionell immer auch im Interesse von Staat und Militär. Früher waren das Dinge wie Telegrafen- und Telefonleitungen, Radiofrequenzen, die Eisen- oder die Autobahn. Insbesondere die neueste Generation der Mobilfunktechnologie 5G ist von großem Interesse für das Militär in aller Welt. Damit soll die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine im modernen Krieg gelingen, wie man seit einigen Jahren etwa in der Ukraine auch in der gelebten Praxis beobachten kann (hoffentlich nicht erleben muss). Die Vereinigten Staaten waren in dieser Angelegenheit vor einer Weile planvoll überrumpelt von der Tatsache, dass das lukrative Auslagern eines Großteils der Industrie aus dem Land nach Fernost dazu geführt hat, dass diese kriegswichtige Infrastruktur plötzlich vom derzeit größten “Widersacher” China geliefert wird, und damit nicht vertrauenswürdig ist. Auch in Deutschland sieht man das als Problem (wie üblich mit ein paar Jahren Verspätung).
Während sich westliche Staaten und ihre Medien über ihre funk-militärische Unabhängigkeit Sorgen machen, werden andere Aspekte des 5G-Ausbaus ausgeblendet. Für unser derzeit noch ziviles Leben in den Städten bedeutet 5G vor allem eine wahnwitzig höhere Strahlenbelastung. Über die Effekte der hochenergetischen Funktechnologie auf die Biologie von Tier und Mensch hört man nur wenig, eigentlich gar nichts. Das Bundesamt für Strahlenschutz weist in diesem Zusammenhang auf Folgendes hin:
Aufgrund wissenschaftlicher Unsicherheiten über mögliche gesundheitliche Wirkungen der hochfrequenten Felder sollten die Grenzwerte durch Vorsorgemaßnahmen ergänzt werden.
– Hinweis zum Strahlenschutz beim Mobilfunk vom Bundesamt für Strahlenschutz, abgerufen am 22. Juli 2025.
Wissenschaftliche Unsicherheiten also. Bei der Corona-Politik gab es diese zum Glück nicht (“Follow the Science” zu deutsch “Folge der Wissenschaft” war damals eines der Pauschalargumente für jede noch so bizarre Menschenqual). Kritische Geister sind jedoch der Ansicht, dass das Bundesamt für Strahlenschutz vor allem die Strahlen schützt und dieser zarte Hinweis nur die Spitze des Eisbergs ist. Persönlich kann man sich jedenfalls fragen, wie man angesichts der stetig steigenden Dichte der Mobilfunkmasten noch Vorsorge treffen soll. Gerade wenn man gegenüber, oder unter so einem Mast wohnt.

Blick auf einen Funkturm auf einem Gebäude am Friedrich-Ebert-Platz. Aufnahme vom 20. August 2024.
In vielen Bereichen unseres Alltags gibt es kein Entrinnen mehr vor der allgegenwärtigen Funkstrahlung. Und dazu braucht es nicht einmal Funktürme. Zu Hause hat man Dinge wie WLAN, DECT-Festnetztelefon, funkende Heizungsthermostate und Wasseruhren, mit dem Internet verbundene Kühlschränke, Waschmaschinen, Herde oder Kaffeemaschinen und Heimautomatisierung. PC, Laptop und Tablet haben WLAN und Bluetooth, kabellose Mäuse und Tastaturen. Mit sich herum trägt man Dinge wie Smartphones, Bluetooth-Stöpsel im Ohr, ein Bluetooth-Headset in der Arbeit auf dem Kopf, eine smarte Uhr am Arm und im Bett (damit man weiß, wie gut man geschlafen hat!), das Smartphone mit Weckfunktion liegt auf dem Nachtkästchen. Von modernen Autos wollen wir lieber gar nicht erst reden.

"Funkrakete" auf einem Gebäude an der Kreuzung Nordring/Rollnerstraße. Aufnahme vom 20. August 2024.

Zwillingstürme über dem Ebl-Biomarkt in der Brettergartenstraße. Solche Türme auf Biomärkten scheinen gerade in Mode zu kommen. Aufnahme vom 4. April 2025.

Funktürme auf einem Gebäude in der Harrichstraße. Wie man sieht, sind diese Türme auch eine tolle Möglichkeit Reste von schöner Architektur zu verschandeln. Aufnahme vom 22. Juli 2025.
Was in den vergangenen Jahrzehnten im Bereich Funkstrahlung geschehen ist, ist eine massive Veränderung unserer Lebenswirklichkeit auf allen Ebenen. Darüber gab es keine Abstimmung, keine Gesellschaftliche Diskussion, keinen ARD-Brennpunkt, noch nicht einmal dumme Werbung um Zustimmung durch Politiker; es ist einfach so geschehen. So wie innerhalb von 100 Jahren alles mit Autos zugepflastert wurde, die Luft verschmutzt und Lärm produziert wurde und wird. Der Herrschaftsanspruch von Wirtschaft und Militär sind ganz selbstverständlich - und dann ist ja auch alles so praktisch und bequem!
Man kann sich fragen, ob man noch alt genug wird, um eine Zeit zu erleben, da die Politik uns Gewissensbisse hinsichtlich der Verwendung all dieser digitalen Wunder macht und uns erziehen werden will, wie wir damit sparsam umzugehen haben. Mir wäre es lieber die Menschen würden aus eigenem Antrieb handeln: ihre Mobiltelefone in die Tonne und die Funktürme von den Dächern werfen.
Noch wartet man jedoch vergebens auf eine Erkenntnis in der Breite der Gesellschaft. Wenn man bedenkt, für welche Gegenstellen diese Funktürme in erster Linie aufgestellt werden: für die Millionen von Smartphones der Bevölkerung. Süchtig machende Anwendungen verwandeln Jugendliche (und nicht nur diese) in Zombies. Ich sage mir oft, dass dank dieser Geräte heute mehr denn je kommuniziert wird, doch so wenig gesagt wird, wie noch nie. Die Menschheit hat auf dem vorläufigen Höhepunkt der totalen Technisierung einen vorläufigen kulturellen und zivilisatorischen Tiefpunkt erreicht.
Zum Abschluss noch ein paar ganz praktische Tipps von mir, wie Sie sich ein wenig vor der physikalischen und mentalen Strahlung der digitalen Revolution schützen können:
- Gönnen Sie sich eine digitale Auszeit und digitale Sparsamkeit. Weniger Geräte sind mehr. Sie müssen auch nicht immer erreichbar sein (nein, wirklich nicht).
- Schalten Sie Ihre Mobilgeräte in den “Flugmodus”. Dazu müssen Sie nicht im Flieger sitzen. In diesem Modus sind alle Funkverbindungen deaktiviert. Das spart auch noch Akku und Nerven (weil Sie nicht mehr erreicht werden können).
- Konfigurieren Sie in Ihrem heimischen WLAN eine Zeitschaltung, die das WLAN wenigstens zur Nachtzeit automatisch abschaltet.
- Verwenden Sie keine Funkkopfhörer, sondern Kopfhörer mit einem sogenannten Luftschlauch. Das hält Strahlung vom Kopfbereich fern.
- Verbringen Sie Zeit in der Natur. Versuchen Sie einmal vollständig ohne Geräte aus dem Haus zu gehen.
Hinweis: Alle in diesem Beitrag veröffentlichten Bilder sind private Aufnahmen des Autors. Ich stelle Ihnen die Bilder gerne zur weiteren Verwendung zur Verfügung, wenn Sie auf mich als Urheber verweisen.